Leseprobe zu „Finale Furioso“ – Kyra Reynolds-Reihe

Die Künstlergarderobe roch nach Haarspray, kaltem Schweiß und einer Überdosis künstlicher Würde. Normalerweise Kyras Rückzugsort vor Applaus und After-Show-Gesäusel, war der Raum jetzt zum improvisierten Verhörzimmer degradiert worden.

Kommissar Lennart Bley saß auf einem Klappstuhl, den man offensichtlich aus dem Bühnenlager herbeigeschleppt hatte. Gerade, unbeweglich, Hände locker auf den Knien – wie eine Statue, die nur gelegentlich den Kopf bewegt.

Kyra flätzte sich auf den Schminktischstuhl gegenüber, die grüne Stola über die Lehne geworfen. Sie verschränkte die Arme, als wolle sie zeigen: Ich bin hier, aber nicht freiwillig.

»Frau Reynolds,« begann Bley mit dieser unerschütterlich ruhigen Stimme, »wie gut kannten Sie Victor Langenstein?«

Kyra zog die Brille etwas tiefer auf die Nase. »Gut genug, um zu wissen, dass er Pelzkragen liebt, feuerrote Krawatten und Texte schreibt, die selbst ein Staubsauger besser aufsaugen könnte.«

Bley blinzelte nicht. »Persönlich?«

»Ach, Sie meinen, ob ich je mit ihm ein Candlelight-Dinner hatte? Nein. Wenn, dann nur Candlelight-Massaker.«

Sie spürte, wie ihr Herzschlag viel zu schnell ging, obwohl ihre Stimme locker klang. Lass ihn nicht merken, dass du zitterst, Kyra. Sarkasmus ist dein Rettungsring.

Bley lehnte sich ein Stück zurück. »Es gibt Zeugen, die sagen, Sie hätten ihn bedroht.«

»Zeugen?« Kyra lachte kurz auf, ein Geräusch, das mehr nach Krächzen klang. »Ach, Sie meinen Maestro Milan? Der Mann hält mich schon für gefährlich, wenn ich nur mein Metronom zu laut aufziehe.«

Wieder dieses Schweigen. Er war nicht feindselig – aber auch nicht auf ihrer Seite. Kein Anker. Nur ein Spiegel, in dem sie ihre eigene Unsicherheit doppelt groß sah.

»Und doch,« fuhr Bley fort, »waren Sie die letzte Person, die er im Saal angesehen hat, bevor er zusammenbrach.«

Kyra starrte auf ihre Hände. Die Nägel, schwarz lackiert, zitterten minimal. »Dann hat er sich wenigstens mit einem guten Bild verabschiedet.«

Bley notierte etwas in sein Heft. Kein Kommentar, keine Reaktion. Nur Stiftkratzen.

Dann – völlig unerwartet – hob er den Blick und sagte im Nebensatz: »Ich spiele selbst Cello. Seit zwanzig Jahren.«

Kyra zog eine Braue hoch. »Cello?« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Das erklärt, warum Sie so aussehen, als würden Sie lieber schweigen als reden. Vier Saiten, wenig Worte.«

Zum ersten Mal huschte ein kaum sichtbares Zucken um seine Mundwinkel. War das … beinahe ein Lächeln?

»Sie haben Humor«, sagte er nur und schrieb weiter.

Kyra starrte an die Decke. Super. Ich stehe unter Mordverdacht, und alles, was hängen bleibt, ist, dass ich den Kommissar auf sein Cellogesicht reduziert habe.